PRESSE

17.10.2018

Wir dürfen uns ab 50 nicht aufs Abstellgleis schieben lassen

"Meins" vom 17.10.2018

Mit Mitte 50 stellte sie sich ganz viele Fragen. Weil sie merkte, dass es nicht mehr weiterging. Heute sagt Schauspilerin Sabine Kaack, 60: „Gerade dann tun sich viele Türen auf!“

Von Kati Behr

Es ist noch ein ungewöhnlich warmer Tag für diese Jahreszeit, aber Sabine Kaack, 60, sieht aus wie frisch gekühlt. Mit ihren wasserblauen Augen strahlt sie mich an, sie wirkt unglaublich lebendig und zugleich sehr bei sich und entspannt. Vor zwei Jahren haben wir uns schon mal getroffen und über ihren Neuanfang in ihrer alten Heimat gesprochen. Jetzt will ich wissen, wie es ihr seitdem ergangen ist, was sie anderen Frauen rät und alles über ihren 60. Geburtstag.

Sie sind in diesem Jahr 60 geworden, was löst diese Zahl für Gefühle bei Ihnen aus?

Ich komme damit wirklich sehr gut zurecht. Ich habe mir eine große tolle Feier geschenkt, mit Familie und engsten Freunden. Und meine Rede war eigentlich eine Hommage an das Leben in Demut und Dankbarkeit. Die Zahl heißt doch in Wahrheit, dass es 60 intensiv gelebte Jahre waren und das ist doch was Wunderbares, darauf kann man stolz sein. Schließlich hätten es ja auch nur 40 werden können (lacht).

Wie haben Ihre Gäste auf diese Rede reagiert?

Alle waren sehr berührt und manche auch beschämt. Zu oft schimpft man über Kleinigkeiten und ist unzufrieden. Damit machen wir uns das Leben oft selbst schwerer, als es ist. Aber man sollte immer mal hin und wieder innehalten, zurückblicken und sich selbst beleuchten, so wie ich das vor fünf Jahren getan und mich danach ganz neu aufgestellt habe. Das hilft einem, klar zu bleiben mit sich, sodass man am Ende des Lebens sagen kann: Mensch, ich hab‘s doch eigentlich ganz gut gemacht.

Was sind die Vorteile, wenn man die 50 überschritten hat?

Toll sind die Unabhängigkeit und das Selbstvertrauen, die es mir erlauben, auch mal Nein zu sagen, weil es nicht zu mir passt. Dafür kann ich mich für Dinge entscheiden, die mich wirklich glücklich machen. Voraussetzung ist natürlich auch immer, dass man den Mut hat, Dinge auch mal ganz anders anzugehen.

Und Sie hatten den Mut, indem Sie ganz neu angefangen und sich auch gegen TV-Rollen entschieden haben…

Ja, so haben sich für mich ganz neue Türen geöffnet: Jetzt habe ich endlich meinen Traum erfüllt und am Ohnsorg-Theater gespielt auf Platt, die „Kalenner Deerns“. Viele Dinge passieren einem erst, wenn man sich traut, neue Wege zu gehen. Ich habe mich im Vorfeld gefragt: Wo und wie kann ich mein kreatives und künstlerisches Glück finden?

Was war der Auslöser für den Neuanfang vor fünf Jahren?

Meine Scheidung, das war ein großer Einschnitt in meinem Leben. Dann ist mein Sohn inzwischen groß, sodass ich diese Verantwortung auch langsam abgeben konnte. Und dann denkt man über das Leben nach: Was ist mir wichtig, wo liegen jetzt meine Prioritäten? Ich habe also einen Cut gemacht und habe unglaublich viel Ballast abgeworfen und bin von Berlin in meine alte Heimat nach Nortorf gezogen.

Wie haben Sie gefunden, was beruflich Ihr neuer Weg sein könnte?

Erst mal habe ich mich selbst geprüft: Was will ich überhaupt, was kann ich leisten, welche Aufgabe kann ich bewältigen, will ich auch Zeit für Freunde haben? Das waren meine Fragen an mich selbst.

Und dann haben Sie sich einen Coach genommen …

Richtig, ich hatte ja die ganzen Facetten meines Schauspielberufs noch gar nicht ganz ausgenutzt. Mein Coach sagte mir: Sie haben doch diese individuelle Stimme, sind Sie denn nie darauf gekommen? Dann kommen natürlich diese Kernfragen: Wo will man sich in zehn Jahren sehen? Aber natürlich war ich auch unsicher: Kann ich das noch, trau‘ ich mir das zu? Mein Coach hat nur gesagt: Natürlich können Sie das, Sie brauchen nur anzufangen.

Haben Sie diesen Neuanfang jemals bereut?

Niemals. Das war mein Glücksweg, dort führe ich ein ganz einfaches, aber wunderbares Leben. Ab Mitte 50 sollte man sich immer sagen: Wenn ich es jetzt nicht wage, ja wann dann? Man weiß doch nicht, wie lange man noch lebt, und ob man es nicht später bereut, wenn man es nicht getan hat. Ich kann sagen: „Mensch, haste aber gut gemacht, Bienchen!

Werden wir Frauen 50+ genug wertgeschätzt?

Nein, leider nicht. Und ich finde, auch die Wirtschaft macht einen großen Fehler, wenn sie die fachliche und menschliche Kompetenz der Frauen weder nutzt noch schätzt. Wir sind doch eine Bereicherung auf allen Gebieten (lacht)! Wir Frauen 50+ dürfen uns nicht aufs Abstellgleis stellen lassen! Auch finanziell nicht, es ist ein Skandal, dass Frauen immer noch weniger verdienen als Männer.

Aber vielen Frauen fehlt auch das Selbstvertrauen, sich dagegen aufzulehnen …

Ja, und man braucht auch eisernen Willen und Disziplin. Wir müssen einfach weiterhin zusammenhalten und stark sein, damit wir unsere Ziele erreichen. Und wer sich alleingelassen fühlt, braucht Unterstützung. Ich coache auch teilweise bei mir auf dem Land einige Frauen, die ein bisschen Hilfe nötig haben. Das macht mir unglaublich viel Spaß.

Haben Sie fürs Alter vorgesorgt finanziell?

Ja, ich habe immer darauf geachtet und eingezahlt. Ich möchte zwar mein Leben lang arbeiten, und ich hoffe, dass ich gesund bleibe und mir das auch gelingt. Aber ich habe klug vorgesorgt und mich keinen Versprechen hingegeben, dafür bin ich zu klar.

Braucht man Mut fürs Alter?

Ja, man braucht Mut weiterzumachen, wenn es nicht mehr so läuft, wenn man sich nicht mehr beachtet fühlt, auch von Männern und in Sachen Liebe. Das Leben ist unglaublich schön, aber nicht immer ein Zuckerschlecken. Und je älter man wird, desto mutiger sollte man an das Leben herantreten. Wichtig ist auch, sich nicht demotivieren zu lassen. Man braucht viel positive Energie und Kraft fürs Älterwerden.